Weißeritztalbahn
Ein Resisebericht aus dem Jahr 1997
Da zu dieser Zeit auch diese Schmalspurbahn auf der "Abschussliste" der Deutschen Bahn AG stand, beschlossen wir im Sommer '97, ihr einen Besuch abzustatten. Einen ersten Eindruck des Betriebes erhielt ich schon während des Dresdner Damplokfestes in Mai, als wir in Dippoldiswalde Quartier bezogen und einige male die Strecke befuhren.
Diesmal wählten wir für unseren Aufenthalt die
"Rabenauer Mühle", Ausflugslokal
und Hotel von je her und direkt am Bahnhof Rabenau gelegen. Die "Rote Weißeritz", der Fluss, der den
Bahnhof von der Mühle trennt, hat der Bahn ihren Namen gegeben. Schon am frühen Morgen, kurz nach fünf Uhr,
fährt der erste Zug zwar noch recht vorsichtig aber dennoch unüberhörbar in den Bahnhof ein. Nach einem
kurzen Aufenthalt geht es mit einem "bescheidenem" Pfiff über den Bahnübergang in Richtung Dippoldiswalde
weiter. Langsam verschwindet der Zug in den noch dunklen Wald des Rabenauer Grundes und hinter der
ersten Kurve verstummen die Auspuffschläge. Es kehrt wieder absolute Ruhe ein; Zeit um noch eine Runde
zu schlafen, bis dann ca. Viertel vor acht eine Zugkreuzung in Rabenau stattfindet. Wer da noch schläft,
der wird spätestens dann aus seinen Träumen gerissen. Von bescheidenem Pfeifen kann da keine Rede mehr sein.
Der Zug aus Richtung Dipps, der immer als erster in den Bahnhof Rabenau einfährt, signalisiert dem
bergwärts fahrenden Zug, dass die Einfahrt frei ist. Von unten aus dem Rabenauer Grund kommt die Antwort.
Alles mit voller Lautstärke der Einheitsdampfpfeifen. Für die Dauer einiger Minuten ist dann im Bahnhof
der Teufel los. Zwei schwarze Ungetüme stehen zischend, brodelnd und qualmend vor ihren Zügen. Die Personale
hängen seitlich aus dem Fenster der Lok und die frühen Passagiere steigen ein und aus. Zuerst
verschwindet der Bergwärts fahrende Zug. Ein lauter Pfiff vor dem Bahnübergang und ab geht die Post. Der
Zugbegleiter des anderen Zuges stellt hinter dem ausfahrenden Zug die Weiche um und geht dann zum Bahnhof
zurück. Sobald er beim letzten Wagen ankommt, ertönt der Abfahrtspfiff.
Mit wenigen Auspuffschlägen
bringt die wuchtige Lok den talwärts fahrenden Zug auf Geschwindigkeit. Dann nimmt der Lokführer die
Steuerung zurück und man hört nur noch das holpern der Räder über die Gleise und das Klappern der Stangen
der Lok.
Mittlerweile ist es die beste Zeit für eine Dusche mit anschließendem Frühstück. Das Frühstücksbüffet ist reichhaltig, der Kaffee stark und aromatisch und so können wir gestärkt einen weiteren Urlaubstag angehen. Natürlich wird die "Weißeritztalbahn" ausgekundschaftet. Der Bahnhof Rabenau liegt im Rabenauer Grund, in jenem tief eingeschnittenen wildromantischen Talabschnitt zwischen Freital und Rabenau. Von hier aus kann man wunderbare "Bahnwanderungen" unternehmen. Für Radwanderungen ist das Tal nur mit "geländetauglichen" Rädern befahrbar. Überall ist die Bahn zum Greifen nahe. Der Wanderweg verläuft immer am Ufer der Weißeritz und hat durch die vielen Windungen des Flusses eine beachtliche Länge. Die Bahn benutzt ebenfalls das natürliche Gefälle des Flüsschens, um den Höhenunterschied zwischen Freital-Hainsberg (184 m) und dem Bahnhof Rabenau (250 m) zu überwinden, kann aber trotz der Spurweite von 750mm nicht immer den engen Windungen folgen. An einer Stelle führt die Bahn über ein Steinbogenviadukt. Auf dem Brückenpfeiler lesen wir, dass sich früher direkt im Anschluss an dem Viadukt der einzige Tunnel der Strecke befand. Mit der Einführung des Rollbockverkehrs in 1905 wurde dieser Tunnel aufgeschlitzt. Am Ausgang des Rabenauer Grundes liegt der Ortsteil Coßmannsdorf mit einem gleichnamigen Haltepunkt, wo in alten Fabrikhallen ein modernes Einkaufszentrum eingerichtet wurde. Ein riesiger Parkplatz belegt den Stellenwert des Individualverkehrs und ein Busbahnhof macht der Bahn Konkurrenz und bietet die besseren und preiswerteren Verbindungen nach Dresden und Dippoldiswalde. Das Bähnchen wirkt wie ein Anachronismus. Von Coßmannsdorf ist es nur noch 1-2 km bis zum Bahnhof Freital-Hainsberg. Die Bahn fährt durch eine Gartensiedlung und kreuzt dort die Rote und Weiße Weißeritz. Eine Zeit lang fährt sie an der Hauptstrecke Dresden-Tharandt parallel, unterfährt die Hauptstrecke und kommt dann am Betriebswerk vorbei zum Schmalspurbahnhof. Der Bahnhof Freital-Hainsberg ist ein Relikt aus alten Zeiten. Wenn nicht die modernen DoSto-Züge der S-Bahn Dresden hier vorbeifahren würden, könnte man sich in die 60-er Jahre zurückversetzt vorkommen. Der S-Bahnhof liegt oberhalb des Schmalspurbahnhofes. Der Fahrplan der Schmalspurzüge richtet sich nach den Anschlüssen der S-Bahn.
Wir beschließen, die Bahn mit in unseren Urlaub einzubeziehen und kaufen uns in der antiquierten Schalterhalle je eine Wochenkarte für die gesamte Schmalspurstrecke bis Kurort Kipsdorf. Die Karte wird sich in wenigen Tagen bezahlt machen!
© 1997 - 2021 Gerard Clemens letzter Update 22.05.2021