Fleischmann Periode
Es war ein sehr aktiver und produktiver Abschnitt. Jeder Cent meines Taschengeldes
wurde in das Hobby gesteckt. Nach und nach wuchs die Anlage. Zu Glanzzeiten erstreckte sie sich über
zwei Speicherräume. Die Wand war an zwei Stellen durchlöchert und die Öffnungen mit Faller Tunnelportalen
"kaschiert". Auf einer der Platten fuhr der Eheim Trolleybus
Der Eheim Trolleybus, lädiert aber funktionsfähig
seine Runden. In den meisten Häuschen brannte Licht und auch die selbstgemachten Laternen und
Lichtsignale trugen zur Beleuchtung der Modellbahn bei. Ich legte mich abends auf mein Bett an
der anderen Wand des Zimmers und schaute zu, wie bis zu 3 beleuchtete Züge und der Trolley über die Platte
rasten. Die Eisenbahn war ganz mit Oberleitung ausgestattet und meine elektrischen Lokomotiven,
eine NS 1200 und eine deutsche E10 funkten manchmal an der Oberleitung, was in der Dunkelheit kleine
Blitze gab. Der automatische Blockbetrieb mit den selbstgebauten bi-stabilen Relais verhinderte ein
Zusammenstoßen der Züge und der bunte Lichtwechsel der gekoppelten Lichtsignale verlieh
dem Ganzen einen sehr lebendigen Eindruck. Eine Geruchsmischung aus warmen Motoren und elektrischen Funken
verbreitete sich in meiner Dachstube.
Nun hatte ich ein Alter erreicht, in dem sich mein handwerkliches Geschick entwickelte, und was ich mangels Taschengeld nicht fertig kaufen konnte, wurde kurzerhand selbst gebaut. In einer Miba aus den frühen 50er Jahren fand ich eine Beschreibung einer Bahnwärterwohnung, die ich ganz aus Karton und Papier nachbaute. Es wurde von mir zu einem kleinen Diorama ergänzt, das ich bei der Bibliothek zu einem Kinder-Bastelwettbewerb einreichte. Das brachte mir den ersten Preis meiner Altersgruppe ein, aber auch den Verlust des Modells - wo mag das wohl abgeblieben sein?
Auf meiner Eisenbahnplatte hatte ich eine Kirche von Faller (Bausatz). Für einen
Jungen aus der Nachbarschaft baute ich die Kirche in Pappe nach - in meinen Augen viel realistischer
und schöner als das Faller-Original. Im gleichen Zeitraum baute ich auch ein Bauernhof nach Originalzeichnung,
Lichsignale nach NS-Vorbild aus Kugelschreiberminen, Sperrholz, Weißblech
und Klingeldraht.
Die Kunsstoff-Leitern sind im Laufe der Zeit zerbröselt.
ein Werk, das lange Zeit im Wohnzimmer als Ausstellungsstück auf dem Schrank stand, bis es eines Tages
verschwunden war. Von da an wurden alle selbstgebauten Gebäudemodelle auf der
Eisenbahnplatte festgeklebt. Um schneller schönere (?) Modelle bauen zu können,
besorgte ich mir von Faller einen Riesenbeutel mit den unterschiedlichsten Fenstern und
Türen aus Polystyrol. Modelle aus dem Faller Katalog, die mir gefielen wurden einfach nachgebaut.
Das Signal aus der Kindheit an einem
(selbstgebauten) DCC-Zubehördecoder - und
alles funktioniert
Die Steuerung meiner Modellbahn machte mir besonders viel Spaß und ging mir auch
gut von der Hand. Hier wurde schon die Vorentscheidung für das spätere Elektro-Studium gefällt. Ich
sammelte wie verrückt alle Materialien, die ich nur irgendwie für die Modellbahn nutzen
konnte. Da waren z.B. leere Kugelschreiberminen,Blechdosen (wegen des Weißbleches), Pappe,
Reste von Polyvinyl-Fliesen, Krageneinlagen aus durchsichtigem Kunststoff, Gussbäume von Bausätzen,
Farbreste, Birnchen und Schalter, Spulen, Kupferlackdraht, Klingeldraht, Lüsterklemmen, Schrauben und
Muttern, usw. Was sonst noch fehlte, kam aus der Werkstatt meines Vaters. Da war an erster Stelle das
Werkzeug, aber auch Verbrauchsmaterial wie
Lötzinn und Lötfett, Plastikkleber, Verdünnung, Waschbenzin, Bohrer, usw. Für andere Utensilien
und Materialien musste der Haushalt meiner Mutter herhalten. Ich denke dabei
vor allem an die ganzen Haushaltsscheren und Messer, die ich zum Bearbeiten von Blech und anderen
Materialien missbraucht habe, oder die Mengen Spiritus, die zum Reinigen der Schienen immer wieder
abgezweigt wurden. Vielfach standen die Werkzeuge, die ich einsetzte, überhaupt nicht im Verhältnis zu den
Abmessungen der von mir gebauten Geräte oder Modelle. Heute würde es mir nicht einfallen, mit 3 mm Lötdraht
und Lötfett und einem überdimensionierten Lötkolben ein Signal zusammenzulöten aber damals hatte
ich nichts Besseres oder ich hätte es selber finanzieren müssen.
Aus heutiger Sicht war die Anlage von damals natürlich primitiv. Für mich aber war sie das Optimum, was bei dem schmalen Budget zu erreichen war. Vor allem war es auch eine Spielanlage, bei der das Rangieren der Selbstentladewagen auf der Fleischmann Entladevorrichtung eine der Hauptattraktionen war. Das Ladegut waren kleine Samenkörner, die sich auf der ganzen Anlage wiederfanden. Ein Märklin-Kran mit Greifer und Elektromagnet rundete als weiteres Funktionsmodell den Rangierbahnhof ab. Mit Ihm wurden die Samenkörner wieder in die Selbstentladewagen geladen. Ein großer moderner Vollmer Lokschuppen mit automatischen Türen und Oberleitung beherbergte die Lokomotiven der verschiedenen Bahnverwaltungen. Als das Nebenzimmer frei wurde, konnte die Eisenbahnplatte durch die Wand hindurch ins dieses Zimmer verlängert werden. Als Gleismaterial kam das alte Trix-Express Material noch mal zu Ehren. Erst während des Studiums, als ich Zuhause auszog, wurde die schon arg verstaubte Bahn abgerissen, in Kartons verstaut und eine Zeit lang vergessen.
© 1997 - 2021 Gerard Clemens letzter Update 22.05.2021